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Pferd im Graben, Kuh in Güllegrube - Die Stadt Grevenbroich schult Einsatzkräfte der Feuerwehren in sicherer und tierschutzgerechter Rettung großer Tiere.

„Hier liegt ein Pferd im Graben und kann sich nicht mehr alleine befreien.“ So oder ähnlich kann der Notruf eines verzweifelten Reiters bei der Leitstelle der Feuerwehren lauten. Für die Rettungskräfte vor Ort ist ein solcher Einsatz häufig eine echte Herausforderung, den bis vor Kurzem gab es keine Ausbildung für derartige Fälle und es musste nach bestem Wissen und mit viel gutem Willen improvisiert werden.

Großtierrettung – eine Situation mit vielen Sicherheitsrisiken.
Alle Rettungseinsätze verlangen den beteiligten Einsatzkräften ein Maximum an Konzentration, Leistung und verantwortungsbewusstem Handeln ab. Jeder Einsatz birgt ein Risiko. Das gilt insbesondere dort, wo Großtiere beteiligt sind. Denn wenn Pferde, Rinder, Lamas oder andere Großtiere aus einer Notlage gerettet werden müssen, ist das ein Einsatz, der besondere Gefahren birgt. Immer noch sieht und liest man von haarsträubenden „Rettungen“, bei der ein Tier mit Hilfe eines Seils an Beinen, Schweif oder gar am Kopf aus einer Notlage gezogen wird. Solche Einsätze lösen zu Recht Entsetzen und in den Sozialen Netzwerken oft einen veritablen „Shitstorm“ aus. Das Mitgefühl gilt in solchen Fällen meist dem Tier, das bei dieser Vorgehensweise nicht selten schwere Verletzungen erleidet. In großer Gefahr sind bei derartigen Einsätzen aber auch und vor allem die Rettungskräfte. Sie sind den vom Tier ausgehenden Gefahren ganz unmittelbar ausgesetzt. Denn Tiere verhalten sich unter Stress und Schmerzen anders als in Normalsituationen. Sogar erfahrene Tierhalter können das Verhalten ihrer Tiere nicht mehr richtig einschätzen, was fatale Folgen haben kann. Das Tier wird mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften versuchen, sich aus seiner Notlage zu befreien und wird dabei für sich, aber vor allem für Retter und andere Personen am Einsatzort hochgefährlich. Zusätzliche Gefahren gehen von Tierbesitzen und Tierfreunden am Einsatzort aus. Einer amerikanischen Studie der American Hospital Association zu Folge würden 83 Prozent der Tierbesitzer ihre Gesundheit oder gar ihr Leben riskieren, um ihrem Tier zu helfen. Die gute Absicht kann da schlimme Folgen haben.

Das Risiko ist da – und es wächst.
Unfälle mit Großtieren passieren glücklicherweise nicht täglich, aber häufiger, als man denkt. Wie groß das statistische Gefahrenpotenzial ist, wird angesichts einiger Zahlen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung deutlich: In Deutschland gibt es knapp 2 Millionen Reiter und rund 1 Million Pferde und Ponys. Jährlich finden um die 4.000 Turniere statt, zu denen Pferde über unsere Straßen transportiert werden. Damit Einsätze mit Großtieren sicher, ruhig und schonend für das Tier verlaufen, sollten sie trainiert werden. Das tut Lutz Hauch seit drei Jahren. Als einziger Trainer Deutschlands verbindet er Erfahrungen als ehemaliger Berufsfeuerwehrmann, Trainer für Pferde mit Verhaltensauffälligkeiten, Pferdesanitäter und zertifizierter Großtierretter und probt den Ernstfall „Großtierrettung“ mit Einsatzkräften von Feuerwehren, aber auch mit Tierärzten sowie Reiterinnen und Reitern. Ziel ist es, das sichere Rettungskonzept, das sich in Großbritannien bereits seit rund 15 Jahren bewährt, auch in Deutschland zu etablieren.

Stadt Grevenbroich - Vorreiter in Sachen sichere Großtierrettung
Die Stadt Grevenbroich ermöglicht ihren Einsatzkräften das eintägige Sicherheitstraining Großtierrettung und gehört damit zu den Vorreitern in Deutschland. „Das Ziel ist ein deutliches Plus an Sicherheit für unsere Einsatzkräfte und andere anwesende Personen sowie der Einsatz tierschutzgerechter Vorgehensweisen“, fasst Stadtsprecher Stephan Renner zusammen.
Das Sicherheitstraining besteht aus zwei Teilen. In einem ersten zweistündigen Seminar wird Grundlagenwissen vermittelt. Dazu gehören Themen wie Wahrnehmungen und Reaktionen von Tieren in Stresssituationen sowie die sich daraus ergebenden Gefahren ebenso wie Einsatzstrategien und Vorgehensweisen. Die Vermittlung erfolgt praxisnah mithilfe verschiedener Einsatzvideos, gelernt wird an positiven und negativen Einsatzbeispielen. In diesen Videos sieht man, wie sich Rettungskräfte beim Versuch, sich dem hilflos im Graben liegenden Pferd zu näheren, gefährlich nahe an rudernde Pferdebeine oder den um sich schlagenden Kopf herankommen. Quälend lange mühen sie sich, ungeschult und unzureichend ausgerüstet, aber hoch motiviert. Solche Aktion können gerne mal Stunden dauern; Stunden, in denen die Retter gefährdet und dem Tier unnötige Schmerzen und Stress zugemutet werden.

Achtung Kickzone! – Übungen für den Einsatzfall.
Sind die Grundlagen im ersten Seminarteil gelegt, geht es in die Praxis. Die Trainingsteilnehmer tragen ihre Schutzausrüstung, wie es auch im Einsatz Pflicht ist. Trainiert wird an Lutz Hauchs „Assistenten“, dem lebensgroßen Pferdedummy Sam, der mit seinem Gewicht von 200 kg und beweglichen Gelenken alle Übungen geduldig über sich ergehen lässt und Fehler, die beim Üben gemacht werden, nicht verübelt. Mit gemeinsamer Kraftanstrengung und – wenn verfügbar – ein wenig technischer Unterstützung wird Sam aus seinem Pferdehänger befreit und in Stellung gebracht. Das Anlegen eines Notfallhalfters, die verschiedenen Fädeltechniken, um Spezialgurte unter das Tier zu bringen, unterschiedliche der jeweiligen Situation angepasste Verfahren, das Tier zu bewegen – all das wird erlernt und geübt. Anschließend werden realistische Übungsszenarien nachgestellt. Die Aufgabe lautet, Pferdedummy Sam aus einem Teich, einem morastigen Graben oder dem Hänger zu „retten“ – und das unter Anwendung der erlernten Techniken. Der Teilnehmer in der Rolle des Sicherheitsbeauftragten am Einsatzort schreitet mit lautem Alarmruf ein, so bald sich ein Übungsteilnehmer in die Gefahrenzone am Tier bewegt. Bis auf das Tier wird das gesamte Einsatzszenario so realistisch wie möglich nachgestellt, damit die Teilnehmer auf einen Ernstfall gut vorbereitet sind. Denn genau das ist das Ziel beim Sicherheitstraining Großtierrettung.

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