Hauptinhalt:
Regionaltypisches Bauen
Gestaltungsgrundsätze für Neubaumaßnahmen in den Dörfern
"Die Ausweitung der Grenzen tut der Heimatgeschichte gut; in seiner Einmaligkeit ist jedes Dorf ein europäischer Wert. Die gesamte europäische Geschichte ist zusehends Allgemein-gut, das für einen jeden ohne die Verpflichtung nationaler oder anderer Befangenheiten zugänglich ist. Es ist wichtig, dass wir unsere Erinnerungen, diesen mehrere tausend Jahre alten gemeinsamen Schatz, pflegen und vergleichen."
(György Konrad, Karlspreisträger 2001)
Mit diesem Zitat leitet die Stadtplanerin Astrid Urgatz den Dorfentwicklungsplan für Neukirchen ein. Die vorliegenden Dorfentwicklungspläne für Gindorf, Hemmerden, Neuenhausen und Neukirchen setzten sich kritisch mit den "Baustilen" vor Ort auseinander und versuchen die Bürger und Bürgerinnen für Traditionen und identitätsstiftende Neuinterpretationen bekannter regionaler Bauformen zu sensibilisieren.
Die folgenden Ideen und Bausteine beziehen sich vor allem auf das Bauen in dörflichen, gewachsenen Strukturen. Wünschenswert wäre auch die Akzeptanz traditioneller Werte in den Neubaugebieten; hier versuchen die Stadtplaner zwar mit den gesetzlich möglichen Mitteln durch bestimmte Festsetzungen dem Ort eine Identität zu geben, doch kann durch Bauzeit-Planung nur ein Rahmen, eine gemeinsame Basis formuliert werden; die Gestaltung im Detail ist Ausdruck des jeweiligen Bauherrn.
Dieser Artikel versucht den Lesern den Blick für das zu schärfen was "Heimat" und regional-typische Baugeschichte ausmacht. Adressaten sind insbesondere Bauherren, Hausbesitzer sowie Architekten, die in ihrer verantwortungsvollen Position als "Createure" der gebauten Umwelt ihren Einfluss auf Gestaltung entsprechend kanalisieren sollten.
Geht man durch historische Ortslagen, so ist man begeistert von dem "Flair" der alten Bebauung. Es stellt sich die Frage, warum diese Faszination selten von Neubaugebieten ausgeht. Die alten Dörfer mit ihren leider nur noch zum Teil erhaltenen historischen Dorfkernen spiegeln auch heute noch eine unverwechselbare für unsere Region typische Struktur und Bauweise wider.
Durch die Reduktion der Struktur, Bauteile und Materialien auf wenige typische Elemente wird eine einheitliche Bebauung geschaffen, die ein attraktives Gesamtbild entstehen lässt.
Dieses einheitliche Bild ist entstanden aus den historischen Bauweisen und den traditionell verwanden Baumaterialien und Bauweisen.
Typisch in den hiesigen Dörfern ist eine weitgehend geschlossene Straßenrandbebauung. Hierbei wechseln sich in der Regel traufständige Hauptgebäude mit Nebengebäuden und Mauern ab. Die Baukörper sind i.d.R. auf der Giebelseite schmal und an der Traufseite breit (oft doppelt so lang wie der Giebel).
Die Strukturen sind eher kleinteilig. Die Häuser haben in der Regel einen erkennbaren Sockel, sowie einen Abschluss zum Dach.
Die Baumaterialien sind auf wenige reduziert. Insbesondere der Ziegel ist in unserer Region ein traditionelles Baumaterial. Schön sind eher Feldbrandsteine mit ihren unregelmäßigen Strukturen. Früher wurde oft mit den Anordnungen der Ziegel "gespielt" so dass am Übergang zum Dach oder im Bereich der Fenster z.B. durch leicht vorspringende Ziegelreihen oder Rollschichten eine schöne Detailausbildung entstand.
Das typische Satteldach der Hauptgebäude hat eine leicht variierende Dachneigung von 35-45°mit einem Dachüberstand. Die Dachaufbauten sind eher schlicht und im Vergleich zum Gesamtdach kleinteilig.
Fenster und Türen im Hochformat sind typisch für den Altbestand der Gebäude. Dabei ist darauf zu achten, dass die Wandflächen weiterhin eine ruhige geschlossene Fläche zeigen.
Der Eingangsbereich ist ein Ort an dem Kommunikation stattfindet. Eine dezente Betonung ist möglich. Attraktiv ist die Schaffung eines halböffentlichen Übergangsbereiches (z.B. Vorgarten). Selbst bei einer Straßenrandbebauung bieten z.B. Treppenstufen eine Möglichkeit eine Übergangszone zwischen dem öffentlichen Straßenraum und der Privatsphäre des Hauses zu schaffen.
Gärten sollten durch Ziegelmauern, senkrechte Holzzäune oder – ökologisch optimal durch Hecken begrenzt werden.
Im Folgenden werden allgemeine Grundsätze aufgeführt, die den Bauherren und Objektplanern als Hilfestellung in den einzelnen Ortslagen dienen sollen. Die Empfehlungen sind als Anregung zu verstehen, die Tradition der regionalen Architektur zu wahren und das Erbe der ursprünglich bäuerlichen und dörflichen Kultur zu schützen, zu erhalten und in moderner Form weiter zu entwickeln.
Bei Neubaumaßnahmen geht es in erster Linie darum, eine ortsbildkonforme Gestaltung zu erreichen und ortsbilduntypische Bauweisen und Gestaltungselemente zu vermeiden. Daraus abgeleitet können allgemeine Empfehlungen für Neubauten getroffen werden, die durch eine Einzelfallprüfung zu vervollständigen sind. Unterschiedliche Ansprüche ergeben sich bei Baumaßnahmen im sensiblen Ortskern und in den Wohngebieten, die erst in jüngerer Zeit entstanden sind.
Gestaltungsgrundsätze für alle An-, Um- und Neubauten
Gestaltungsgrundsätze werden mit dem Ziel der Sicherung und Schaffung einer landschafts- und ortsangepassten Bauweise zusammengestellt. Sie gelten für alle künftigen An-, Um- und Neubauten in den, zu Grevenbroich zugehörigen, Dörfern.
Für Umbauten von Denkmälern ist eine denkmalrechtliche Erlaubnis erforderlich, die auf das Gebäude abgestimmt Regelungen zur Umgestaltung trifft. Spezielle Regelungen gelten zudem in Hülchrath. Dort wurde für den alten Ortskern eine Gestaltungssatzung erlassen, die bei Neubauten und Umbauten zu beachten ist.
Für die Bereiche, in denen Bebauungspläne vorliegen gelten die gestalterischen Festsetzungen des jeweiligen Bebauungsplanes als Ortrecht. Da die Bebauungspläne in der Regel nur wenige Festsetzungen zur Gestaltung treffen, können die folgenden allgemein formulierten Gestaltungsgrundsätze auch für Gebiete mit Bebauungsplänen eine Hilfe für Bauherren sein. Sie sind im jeweiligen Einzelfall auf ihre Anwendbarkeit hin zu prüfen:
Baukörper
Durch Gebäudestellung und Firstrichtung sollten Gebäudefluchten der näheren Umgebung aufgenommen werden. Bei Straßenrandbebauung sind Rücksprünge zu vermeiden. Die Gebäude sollte maximal zweigeschossig sein, nur in begründbaren Ausnahmen höher.
Dächer
Typisch sind Satteldächer mit einer Dachneigung von ca. 40° (+5°).
Walm-, Krüppelwalm- und Zeltdächer sind zu vermeiden. Dachüberstände sollten mindestens 10 cm betragen. Als Dacheindeckung sind alle Dachziegelarten zugelassen. Als Farbton kommt neben dem durch Reduktionsbrand entstandenen grau auch schwarz in Betracht.
Fassaden
Typisch sind Bruchstein, Ziegel und Putz.
Glasbausteine, Sichtbeton, Verkleidungen aus Zementfaserplatten, gesundete Pappe und Kunststoffplatten sind als Baumaterial abzulehnen.
Verkleidungen aus Holz sind zu bevorzugen.
Türen und Tore
Alte Holztüren und –tore sind zu erhalten. Eine Reparatur ist dem Ersatz vorzuziehen. Aluminium-, Bronzeguss- und Kunststofftüren sind nicht landschaftstypisch und sollten keine Verwendung finden. Auch Garagentore sollten in Holz ausgeführt werden.
Einfriedungen
Einfriedungen sollten als Holzzaun mit senkrechter Lattung (Staketenzaun) oder als Hecke aus heimischen Gehölzen ausgeführt werden, wenn eine Einfriedung überhaupt erforderlich ist.
Auf Jäger- und Maschendrahtzäune, Betonformsteine, Sichtbeton, Platten, Fliesen und Kunststoffverkleidungen an Mauern sollte verzichtet werden.
Nebengebäude und Garagen
Garagen sind in Material und Dachneigung an das Hauptgebäude anzupassen, Flachdächer nach Möglichkeit zu vermeiden. Offene Überdachungen (Carports) sind als Holzkonstruktion möglich und passen sich meist besser ins Ortsbild ein. Garagen können in den Hauptbaukörper integriert werden.
Zusätzliche Gestaltungsgrundsätze für die historische Ortslage
Anforderungen an Baumaßnahmen innerhalb und am Rand der historischen Ortslagen, die über die allgemeinen Anforderungen hinausgehen, können im wesentlichen durch folgende Punkte charakterisiert werden:
Baukörper und Dächer
Bei Umbau oder Abrisse und Neubau von Wohn- und Nebengebäuden sollte die Gebäudestellung, Firstrichtung und Gebäudeflucht übernommen werden. Das Maß der baulichen Nutzung sollte auf maximal zwei Vollgeschosse begrenzt werden und mit der angrenzenden Bebauung konform gehen.
Auf Dacheinschnitte, Fledermausgauben und Dachflächenfenster sollte verzichtet werden. Fenster zur Belichtung des Dachgeschosses sollten möglichst so angebracht werden, dass sie nicht sichtbar sind.
Fassaden
Fachwerk, das historisch freigelegt war, sollte freigelegt und in Originalfarbtönen angelegt werden. Die Gefache sind mit freihändig glattgestrichenem Putz oder Ziegeln zu versehen.
Bruchstein und Ziegelfassaden sollten nicht verputzt werden. Gliedernde Fassadenelemente sind natur zu belassen oder deckend mit Sandsteinfarbe zu streichen. Schmückende Elemente sind zu erhalten. Der Farbanstrich sollte in einem Farbleitplan abgestimmt werden.
Fenster
Zu ersetzende Fenster sollten sich an alte Vorbilder halten. Es sind hochrechteckige Formate zu wählen. Die Fenster sollten ggf. unterteilt werden. Der Rahmen ist aus heimischen Hölzern zu erstellen. Auf Kunststoff- oder Aluminiumrahmen sollte verzichtet werden. Als Wärme-, Sonnen- und Einbruchschutz sind Schlagläden nach historischem Vorbild allen anderen Varianten vorzuziehen.
Ziel der obigen Anregungen zur Gestaltung von Gebäuden in unseren Dörfern ist es, nicht eine historisierende Bebauung zu schaffen, sondern regionaltypische Gestaltungselemente in moderner Form aufzugreifen und der Beliebigkeit von Neubauten und Neubaugebieten in den Dorflagen entgegenzuwirken.